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1.2 Médiation culturelle

Der Begriff «Médiation culturelle» wird ähnlich wie das deutsche  Kulturvermittlung verwendet, hat jedoch eine länderspezifische Prägung und eine längere Geschichte. Bei seinem Auftauchen in den 1980er Jahren war der Begriff «Médiation culturelle» in Frankreich vor allem mit Öffentlichkeitsarbeit und Wissensvermittlung verbunden. Neben der Vermittlung der Künste fand er auch im Bereich der Denkmalpflege und des kulturellen Erbes Anwendung. Er knüpfte damit an bereits länger bestehende Praktiken der Bildungsarbeit und der Diffusion im Kulturbereich an. Das Verständnis von Médiation culturelle als Wissensvermittlung ist heute weiterhin wirksam und betrifft den überwiegenden Teil der existierenden Praxis.

Unter anderem durch die Arbeit des 1994 gegründeten (soziologisch und linguistisch geprägten) Studiengangs «Médiation culturelle de l’art» an der französischen  Université Aix-Marseille entwickelte sich jedoch parallel dazu ein spezielles Konzept der Vermittlung der Künste. Dieses basiert auf der Annahme, dass Kunst häufig aus einem individuellen Akt in Opposition zum Kollektiv entsteht und daher selten für alle ohne Vorwissen erschliessbar ist. Gleichzeitig soll sie diesem Kollektiv im Sinne einer  Demokratisierung von Kultur zugänglich sein (Caune 1992; Caillet 1995). Médiation culturelle wird angesichts dieses Spannungsverhältnisses weniger als Wissensvermittlung begriffen, sondern als Herstellung von Austauschbeziehungen zwischen Publikum, Werken, Künstler_innen und Institutionen. Deren unterschiedliche Perspektiven sollen im Rahmen der Vermittlungsarbeit zueinander in Beziehung gesetzt werden. Der Fokus der Vermittlungsarbeit liegt auf den individuellen Wahrnehmungen der Werke durch die Teilnehmenden. Verstehenslücken sollen gerade nicht mit Fachwissen geschlossen, sondern als Ausgangspunkt für die Entstehung von Dialogen und für ästhetische Erfahrungen begriffen werden (Caune 1999). Idealerweise ist dabei die gemeinsame Reflexion über die unterschiedlichen Sprechweisen, die in diesem Austauschprozess aufeinandertreffen, ein weiterer integraler Bestandteil der Médiation culturelle de l’art.

Neben diesem sehr spezifischen Konzept überschneidet sich der Alltagsgebrauch von «Médiation culturelle» mit anderen Begriffen, wie der «Action culturelle» (bei der es vor allem um die Verbreitung von kulturellen Angeboten weg vom Zentrum in die Peripherie geht) oder der dem Marketing zuzurechnenden «Diffusion». Weiter finden sich spezifizierende Begriffe wie «Médiation artistique» für die  Vermittlung künstlerischer Techniken oder Verfahren oder  Médiation culturelle de musée für die Museumsvermittlung.

Zunehmend findet Médiation culturelle auch im Arbeitsfeld der  Animation culturelle Eingang (Della Croce et al. 2011). «Animation culturelle» ist im Sozialbereich angesiedelt. Sie beinhaltet den in der  Éducation populaire des frühen 20. Jahrhunderts etablierten Anspruch, dass sich die Teilnehmenden durch kulturelle Praxis emanzipieren und dass kulturelle Praxis gesellschaftlich verändernd wirkt.