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5.2 Reproduktive Funktion von Kulturvermittlung

Eine häufig zu beobachtende Funktion von Kulturvermittlung besteht darin, durch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen das «Publikum von morgen» heranzubilden oder Personen, die nicht von alleine kommen, zum Beispiel weil sich ihr Freizeitverhalten abseits der Kulturinstitutionen verortet, an die Künste heranzuführen. Kulturinstitutionen werden dabei als Einrichtungen begriffen, die wertvolles Kulturgut öffentlich zugänglich machen, das nicht für alle gleich zugänglich ist. Denn selbst wenn der Eintritt gratis oder sehr günstig ist, fühlen sich nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft gleichermassen von diesen Institutionen adressiert – man bezeichnet diese unter anderem historisch und sozial begründeten Ausschlussmechanismen auch als «symbolische Schwellen». Vor diesem Hintergrund soll durch die reproduktive Funktion der Vermittlung einem möglichst breiten Publikum der Zugang zu diesen Gütern ermöglicht werden. Angebote der Kulturvermittlung mit vornehmlich reproduktiver Funktion werden in der Regel von Kulturvermittler_innen mit pädagogischer Erfahrung gestaltet. Dazu gehören zum Beispiel Workshops für Schulklassen und Fortbildungen für Lehrpersonen, Kinder- und Familienprogramme sowie ereignisorientierte Veranstaltungen mit hohen Publikumszahlen wie lange Nächte und Museumstage, Konzertpicknicks oder auch die Angebote für Kinder und Jugendliche des schweizweiten  Tanzfestivals Steps. Weil solche Angebote durch die Herstellung von neuen Nutzer_innen nicht zuletzt auf den Selbsterhalt der Institution zielen und weil sie mit Tätigkeiten des sich Kümmerns und Versorgens verbunden sind, wird diese Funktion von Kulturvermittlung hier als reproduktiv bezeichnet.

Problematisch an dieser Funktion der Kulturvermittlung ist, dass sie bei ihrem Bemühen um Einschluss neuer Publikumsgruppen den Fokus vor allem auf die Abwesenden legt – als diejenigen, die nicht wissen, wie gut die von den Institutionen bereitgehaltene Kultur für sie sein könnte. Es geht also letztendlich um eine Überzeugungs- und Überredungsarbeit.

Selten in den Blick geraten dabei die Inhalte, die Angebotspaletten und die Verhaltensregeln der Institutionen selbst. Diese müssten jedoch konsequent mitverhandelt werden, da auch sie massiv zur Bildung des Publikums beitragen.