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4.4 Beteiligungsgrad: Kollaborativ

Ein kollaborativer Beteiligungsgrad liegt vor, wenn der Rahmen, die Thematik und die Methoden eines Vermittlungsprojekts gemeinsam mit den Beteiligten entwickelt werden. Ein Beispiel ist das Projekt  Antikulti Atelier, das aus einer Zusammenarbeit der Vermittlung des Museums für Gestaltung Zürich mit der Autonomen Schule Zürich resultierte: Eine Gruppe von Menschen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus in der Schweiz trifft sich regelmässig mit einer Vermittlerin zum Austausch. Das Projekt wird von der Vermittlerin gemeinsam mit eine_r Vertreter_in der Gruppe geleitet und findet im Vermittlungsraum des Museums statt. Ausstellungen des Museums für Gestaltung können (müssen aber nicht zwingend) Ausgangspunkte für die Auseinandersetzung mit Themen bilden, die der Gruppe wichtig sind. So entstand als Resultat der Beschäftigung mit der Ausstellung «Global Design», die die Effekte der Globalisierung auf Gestaltungsphänomene zum Thema hatte, ein «Bleibeführer», der wichtige Informationen für das Überleben in der Stadt Zürich bereitstellt. Durch die Auseinandersetzung mit den Designobjekten in der Ausstellung «Schwarz Weiss – Design der Gegensätze» entstand die Idee zur Entwicklung eines Schattentheaters. Auch wenn die erste Einladung zur Zusammenarbeit von der Vermittlerin ausging, werden Vorgehensweise, Arbeitsbedingungen und Inhalte gemeinsam beschlossen und permanent diskutiert und weiterentwickelt.

Eine Bedingung für Projekte mit kollaborativem Beteiligungsgrad – oder mit dem Anspruch, einen solchen herzustellen – ist das Einplanen von Ressourcen für die Reflexion und Bearbeitung von Machtverhältnissen und Interessenskonflikten. Dies ist besonders dann wichtig, wenn Kulturinstitutionen mit Gruppen kooperieren, die mit weniger  Kapital ausgestattet sind, sei es nun ökonomisches oder symbolisches. Wird auf dieser Ebene kein von allen Beteiligten mitgetragenes Gleichgewicht erreicht, kommt es zu Frustrationen. Zum einen besteht die Gefahr einer Instrumentalisierung der Gruppe für das Image der Institution. Zum anderen gehen gute Absichten der Institution häufig mit Bevormundung und  Paternalismus einher, auch wenn diese zuweilen subtil sind. Das Thematisieren und Bearbeiten von Machtverhältnissen in einer Kooperation wiederum setzt einen gewissen Grad von Informiertheit, ein Bewusstsein über die eigene Position voraus – sowie die Bereitschaft, Ressourcen aktiv umzuverteilen und Machtverhältnisse aufzuweichen oder zu ändern.

Das Erreichen eines kollaborativen Beteiligungsgrades ist in der Kulturvermittlung also alles andere als einfach. Gelingt es jedoch, die dabei entstehenden Spannungen produktiv zu nutzen, können aus solchen Projekten auch interessante Perspektiven für die Weiterentwicklung der Institutionen resultieren. Die oft gewünschte Gewinnung von neuen Publikumsgruppen hat mit kollaborativem Vorgehen langfristig oft grössere Chancen, weil sich diesen neuen Gruppen echte Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Sind diese Möglichkeiten ernst gemeint, lassen sie auch die Institution selbst nicht unverändert.