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7.5 Kulturvermittlung als Forschungsfeld

War Kulturvermittlung über mehr als hundert Jahre hinweg in erster Linie ein Praxisfeld, gewinnen seit etwa fünfzehn Jahren auch Forschung und Theoriebildung an Relevanz. Darauf verweist im deutschsprachigen Raum, neben einem raschen Zuwachs an Graduiertenkollegs und Publikationen, die Entstehung von Forschungsinstituten an Hochschulen, wie dem Institute for Art Education (IAE) an der Zürcher Hochschule der Künste, oder von privaten Einrichtungen der Kulturvermittlung, die Forschung betreiben, wie zum Beispiel  Educult in Wien. In den letzten Jahren wurden in der Schweiz mit dem Art Education Research Network und in Deutschland mit dem Netzwerk  Forschung Kulturelle Bildung Plattformen für Akteur_innen und Institutionen gegründet, die in diesem Forschungsbereich tätig sind. Im französischen Sprachraum wird unter anderem im Rahmen des Masterprogramms Recherche Histoire, esthétique et sociologie de médiation culturelle am Departement  Médiation Culturelle der Université Sorbonne Nouvelle - Paris 3 Forschung zur Kulturvermittlung betrieben.

Bislang ist ein grosser Teil der Forschung in der Kulturvermittlung evaluativer Natur. Er zielt wesentlich auf den Nachweis von Wirkungen der Kulturvermittlung auf die Teilnehmenden ab (vergleiche hierzu z.B. die Forschung zu Transfereffekten im Projekt  Jedem Kind ein Instrument (Rittelmeyer 2010). Wie unter anderem in «6. Warum (keine) Kulturver­mittlung?» dargestellt, ist die Motivation zur Förderung und Initiierung von Kulturvermittlung stark von der Hoffnung auf nicht kunstbezogene Transfereffekte (wie gesteigerte individuelle Leistungsbereitschaft oder soziale Kohäsion) geleitet. Forschung wird damit beauftragt, die Belege für solche Transfereffekte zu erbringen. Sie befindet sich dabei in einem Dilemma: Einerseits muss Forschung, wenn sie den Namen verdienen will, ergebnisoffen sein. Andererseits hängt die weitere Existenz der auftraggebenden Institution möglicherweise von der Erbringung eines Wirkungsbeweises ab. Das Spannungsverhältnis zeigt sich deutlich in der Debatte über die Gültigkeit der Ergebnisse von unter diesen Vorzeichen durchgeführten  Studien.

Es gibt jedoch auch zunehmend Forschungen, die sich jenseits der Wirkungsforschung verorten und sie kritisch hinterfragen. Zum Beispiel gibt es Studien, die Vorstellungen davon, was eine positive Wirkung überhaupt sei, bei den verschiedenen Akteur_innen herausarbeiten und ihre Hintergründe analysieren. Oder solche, die Effekte einer Förderpolitik untersuchen, welche vor allem auf Transfereffekte zielt ( Hoogen 2010). Wieder andere Studien setzen sich analytisch mit Schlüsselbegriffen der Kulturvermittlung, wie zum Beispiel «Partizipation», auseinander ( Hope 2011).

Ein wichtiger methodischer Zugang ist die Praxisforschung, bei der es darum geht, Kulturvermittlung auf der Basis von Theorie und durch gemeinsam mit den Praktiker_innen geleistete Analysen weiterzuentwickeln (vgl. hierfür das Projekt «Kunstvermittlung in Transformation», das von 2009 bis 2011 als Kooperation von vier Schweizer Kunsthochschulen und fünf Museen stattfand (Settele 2012)). Auch Wissenschaftsrichtungen mit anderen Kerngebieten widmen sich bisweilen der Forschung zur Kulturvermittlung. Dazu gehören (unter anderem und oft in Kombination) bildungshistorische, fachdidaktische, neurowissenschaftliche, begriffstheoretisch-philosophische, künstlerische und soziologische Zugänge.