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Glossar

Aktionsforschung

Die in den Sozialwissenschaften international – im angelsächsischen, aber auch im französischen oder lateinamerikanischen und zunehmend auch im deutschsprachigen Raum – bedeutsame Aktionsforschung zeichnet sich vor allem anderen dadurch aus, dass sie eine engagierte Forschung ist, die in die soziale Wirklichkeit, die sie untersucht, auch eingreift und die Grenze zwischen Forschenden und Be-Forschten, zwischen Forschung und ihrem Gegenstand hinterfragt. Dazu wurden seit den 1960er Jahren Methoden und Strategien partizipativer Aktionsforschung (PAR) entwickelt, die «auf Problemlösung und Transformation durch die Erforschung von im Arbeitsalltag entstehenden Fragen durch professionell Handelnde, allein oder im Team, setzen. Zentral für diese Ansätze ist die Aufwertung des Wissens von PraktikerInnen gegenüber ausserhalb der konkreten Arbeit generiertem ‹ExpertInnenwissen›» (Landkammer 2012, S.200).

Alltäglicher und struktureller Rassismus

Während alltäglicher Rassismus individuelle rassistische Handlungen, absichtsvoll oder nicht, bezeichnet, denen Minorisierte laufend ausgesetzt sind, ist unter strukturellem Rassismus eine über-individuelle Praxis zu verstehen. Gemeint sind damit Rassismen, die von gesellschaftlichen Systemen ausgehen und sich in deren Logiken, Ökonomien, Normen oder Gesetzen ausdrücken. Diskriminierungen im Wahlsystem, am Arbeitsmarkt, in der Rechtsordnung, im Betriebsalltag sind Effekte von strukturellem Rassismus. Für alltäglichen wie strukturellen Rassismus gilt: Es handelt sich «nicht einfach um individuelle Vorurteile, sondern um die Legitimation von gesellschaftlichen Hierarchien, die auf der Diskriminierung der so konstruierten Gruppen basieren. In diesem Sinn ist Rassismus immer ein gesellschaftliches Verhältnis» (Rommelspacher 2006).

Barrierefreiheit

Der vor allem mit der Behindertenbewegung verbundene Begriff der Barrierefreiheit bezeichnet die Zugänglichkeit öffentlicher Güter oder Räume für alle, die durch eine Politik des Abbaus von realen oder symbolischen Schwellen und des Ausgleichs von Handikaps erreicht werden soll. Barrierefreiheit setzt eine umfassende Auseinandersetzung mit den vielfachen Begrenzungen und Schliessungen sozialer Räume voraus, die oft nicht ausreichend geleistet wird. Wie viele Studien zeigen, sind die realen wie symbolischen Schwellen musealer Räume erheblich und, worauf etwa Pierre Bourdieus Arbeiten hinweisen, wesentlich für das Feld, was der Barrierefreiheit vor allem anderen entgegen­stehen dürfte.

Besucher_innen-orientiert

Besucher_innen-orientiert zu sein oder zu handeln, ist gerade auch für kulturelle Institutionen nahezu obligatorisch und strategisch wichtig geworden. Der Versuch, die Institution von ihren Besucher_innen her zu denken und auf deren Bedürfnisse einzugehen, kann verschiedenen Kalkülen folgen, etwa aus einem Demokratisierungs- oder aus einem Dienstleistungsgedanken heraus erfolgen. Dass Besucher_innen-Orientierung die Besucher_innen-Zahlen steigert, ist jedenfalls ein Mantra des aktuellen Kulturmanagements.

Britishness

Britishness ist eine vieldeutige Bezeichnung für das Britische oder vielmehr für britische Identität evozierende Codes. Wie alles Nationale ist Britishness eine diskursive Konstruktion und muss hergestellt werden, vor allem anderen durch die Abgrenzung von dem, was als nicht-britisch gilt. In einem historisch und aktuell alles andere als homogenen Staatengebilde wie Grossbritannien bekommt Britishness eine politische Funktion. Stuart Hall, einer der Pioniere der Cultural Studies, weist auf einen gerne verdrängten Aspekt von Britishness hin, die historisch mit Rassismus verbunden ist, so wie der Tee (das Zeichen schlechthin für Britishness) mit dem Kolonialismus: «It is in the sugar you stir; it is in the sinews of the famous British ‹sweet tooth›; it is in the tea-leaves at the bottom of the next ‹British› cuppa’» (Procter 2004, S.82).

Dekonstruktion

«Der Praktiker der Dekonstruktion arbeitet innerhalb eines Begriffssystems, aber in der Absicht, es aufzubrechen» (Culler 1988, S. 95). Dekonstruktion kann als kritische Arbeit an machtvollen Gegensätzen eines Diskurses gelten. Den dekonstruktiven Eingriff beschreibt der Philosoph Jacques Derrida folgendermassen: «Bei einem klassischen philosophischen Gegensatz (hat man es) nicht mit der friedlichen Koexistenz eines Vis-à-vis, sondern mit einer gewaltsamen Hierarchie zu tun. Einer der beiden Ausdrücke beherrscht […] den anderen, steht über ihm. Eine Dekonstruktion des Gegensatzes besteht zunächst darin, im gegebenen Augenblick die Hierarchie umzustürzen» (Derrida 1986, S.88). Um nicht selber eine Bedeutung zu fixieren, bleibt die dekonstruktive Praxis gleichsam in Bewegung mit dem Ziel, Bedeutungen zu verschieben und nicht festzulegen.

Deutungsoffenheit

Künstlerische Arbeiten und Praktiken haben – jedenfalls potentiell – einen hohen Grad an Deutungsoffenheit, d.h. sie sind offen für einen prinzipiell unabschliessbaren Prozess der Sinnstiftung durch die Betrachter_innen oder Besucher_innen. In einer relationalen oder sozialen Betrachtung von Kunst stellt sich deren Bedeutung immer neu durch die Arbeit der Rezipient_innen her. In dieser Aneignung, Vereinnahmung oder Verschiebung liegt ein emanzipatorisches Potential, das eine kritische Kunstvermittlung im Blick hat.

Diversity Policy

Gemeint sind hier die offiziellen Leit- und Richtlinien des Museums in Bezug auf «Diversity», also die soziale und «kulturelle» Vielfalt, der sich die Kulturinstitution verschrieben hat. Darin formuliert ist die Politik des Einbezugs und der Ansprache von Individuen oder Gruppen, die in Bezug etwa auf Gender, Race, Religion, Klasse, Ethnie etc. als different charakterisiert werden. Wie das Konzept von Diversity als solches wird auch der Diskurs der Diversity Policies vielfach kritisiert, weil er dazu tendiert, Diversität zu feiern und Diskriminierung zu verschweigen und zu verdecken.

Educational Turn in Curating

Der umstrittene Begriff bezeichnet ein seit einigen Jahren erwachtes Interesse des künstlerischen und vor allem des kuratorischen Feldes an pädagogischen Herangehensweisen, vorzugsweise an Verfahren aus der kritisch-emanzipativen Pädagogik in der Tradition Paulo Freires oder Ivan Illichs bzw. an Ansätzen einer poststrukturalistisch geprägten Bildungsphilosophie, wie sie u. a. Jacques Rancière vertritt. Das Verhältnis von Kunst und Pädagogik ist allerdings schon lange vor dem aktuellen Educational Turn verhandelt worden: «Der kürzlichen Entdeckung des bislang eher randständig wahrgenommenen Themas durch Kurator_innen und Kunstwissenschaftler_innen gehen etwa 200 Jahre erziehungsphilosophische Debatten und Praktiken ästhetischer Bildung voraus. Die Zurkenntnisnahme dieser Konzeptionen zwecks Vermeidung einer Neuerfindung des Rades oder einer Verkürzung komplexer Ansätze wäre wünschenswert» (Mörsch 2009).

Ethnisierende Codes

Durch die Verwendung von bestimmten Zeichen wird in Diskursen Bedeutung produziert, wird soziale Identität, etwa Geschlecht, Gender oder eben Ethnizität konstruiert. Ethnisierende Codes greifen klischeehafte Zu- und Festschreibungen auf und auf ein tendenziell rassistisches Repertoire wie auf spezifische Darstellungen und Dramaturgien zurück. Indem Differenz ethnisiert wird, besteht die Tendenz, soziale Unterschiede und Ungleichheiten zu legitimieren und zu naturalisieren.

Ethnische Essentialisierung

Ethnizität ist von dem Soziologen und Kulturwissenschaftler Stuart Hall als dynamisches Konzept beschrieben worden: «Es ist eher eine Überzeugung, eine Vorstellung, eine Bewusstseinsform, die weder natürlich noch ewig ist, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt durch die Umstände hervorgebracht wird.» (Hall 1999). Im Gegensatz dazu legt ethnische Essentialisierung Individuen auf Ethnizität und die damit assoziierten Zuschreibungen fest, die noch dazu zumeist Fremdbeschreibungen einer dominanten Mehrheitsgesellschaft sind.

Expat

Als saloppe Abkürzung des englischen «Expatriate» ist der Begriff zur populären Bezeichnung für ausserhalb ihrer Herkunftsländer lebende und arbeitende Menschen geworden. Allerdings benennt Expat eher privilegierte mobile Arbeitskräfte im Global Business; «Migrant_in», «Ausländer_in» oder «Gastarbeiter_in» bleibt als stigmatisierende Bezeichnung für sozial de-privilegierte Menschen reserviert, die genauso Expatriates sind. Dass Expats gerne in Parallelwelten leben, unter sich bleiben und selten die Sprache des Aufnahmelandes sprechen, wird bislang selten diskutiert.

Feld

Vom Soziologen Pierre Bourdieu geprägt, bezeichnet ein soziales Feld eine Sphäre des gesellschaftlichen Lebens, beispielsweise das Feld der Ökonomie, der Politik, der Kunst usw. Jedes Feld folgt eigenen Logiken und Spielregeln. Diese werden einerseits von den im Feld tätigen Akteur_innen laufend ausgehandelt; andererseits begrenzen die Logiken und Spielregeln wiederum die Handlungsräume und Verhaltensmöglichkeiten der Akteur_innen. Der meist unausgesprochene Konsens über die Regeln des Feldes und den Wert der Einsätze ist nach Bourdieu eine «feldspezifische illusio», die bewirkt, dass das Ringen der Akteur_innen im Feld um ihre Stellung im sozialen Raum und um Ressourcen immer weitergeht.

Feminisiert

Bestimmte Berufsfelder, wie eben auch das pädagogische, sind eindeutig feminisiert, d. h. von überdurchschnittlich vielen Frauen besetzt. Es sind besonders Berufe im Dienstleistungssektor, für den spezifische soziale Fähigkeiten gefragt sind, die weiblich markiert sind. Wie auch der Sektor der unbezahlten Arbeit (Hausarbeit, Pflege) extrem feminisiert ist, sind Felder, in denen Frauen überrepräsentiert sind, oft unterbezahlt. Zudem stellt sich bei näherer Betrachtung die auch als eine sehr spezifische heraus, die abnimmt, je besser Position und Gehalt sind. So ist etwa im Sprechen über die Feminisierung im Bildungsbereich auf das ungleiche Verhältnis von Kindergärtnerinnen und Unirektorinnen zu achten.

Fordistisch und post-fordistisch

Mit Fordismus wird eine Phase kapitalistischer Ökonomie bezeichnet, die vor allem auf der Wertschöpfung durch Industrie basiert. Wichtiger Motor für das Wachstum sind Massenproduktion und Massenkonsum durch vom Sozialstaat abgesicherte Arbeiter_innen und Angestellte. Dieses durch die Konzepte des Autoindustriellen Henry Ford in den 1920er Jahren beispielhaft geprägte ökonomische Modell geriet in den 1970er Jahren in die Krise und wurde durch das post-fordistische abgelöst.

Diese vom Finanzmarkt angetriebene Wirtschaftsform setzt vor allem auf wissensintensive Informations- oder Kommunikationstechnologien. Kennzeichnend ist der Trend zu individualisierten und ungeregelten Arbeitsverhältnissen, der potentiell alle zu Unternehmer_innen ihrer selbst macht.

Gender Gap

Die für diese Publikation gewählte, genderbewusste Schreibweise mit Unterstrich (_innen), die den Lesefluss unterbricht, ist gegen die binäre, auf männlich und weiblich festgelegte Ordnung der Geschlechter gerichtet. Der Unterstrich erzeugt einen symbolischen Freiraum, auch als «Gender Gap» bezeichnet, der auf Geschlechtervarianten und -identitäten jenseits der Kategorie Mann/Frau verweist. (Dies im Unterschied zur üblichen Verwendung von Gender Gap als Begriff zum Beispiel für finanzielle Benachteiligungen von Frauen gegenüber Männern in vergleichbaren beruflichen Positionen.)

Gentrifizierung

Ein Begriff der kritischen Stadtsoziologie, der den Prozess der Aufwertung von vormals vernachlässigten oder verarmten Stadtvierteln beschreibt, der für die neoliberale Transformation der Grossstädte im globalen Wettbewerb kennzeichnend ist. Oft von sozialen Konflikten begleitet, führt Gentrifizierung zu einer Veränderung der sozialen Struktur der Quartiere und zu einer Verdrängung der nicht-privilegierten Bevölkerung. Als Pioniere der Gentrifzierung fungieren oft Kunst und Kultur, die mitunter auch strategisch angesiedelt werden und die neue Gegend aufwerten sollen.

Globish

Globish, gebildet aus Global und English, bezeichnet ein in der Praxis entstandenes Basisvokabular (von rund 1 500 Wörtern), das als gemeinsamer Code globaler Kommunikation funktionieren soll. Im transnationalen Management der Wirtschaft entstanden, aber auch in Wissenschaft oder Kunst etabliert, ist dieses «decaffeinated English» (Robert McCrum) umstritten. Diskutiert wird, ob es sich dabei um eine Herrschaftssprache handelt oder um eine demokratische Verkehrssprache zur globalen Verständigung.

Habitus

Der Begriff bezeichnet routinehafte Denk-, Wahrnehmungs- und Darstellungsmuster, mit denen Individuen ihr Handeln in der Praxis gestalten. Im Habitus werden – zumeist unbewusst – durch Sozialisation angeeignete Normen verköpert, die Kollektive wie Berufsgruppen, Generationen oder Klassen verbinden. Der Habitus prägt sehr subtil Gestik, Sprache oder Körperhaltung und ist nicht einfach umzuformen oder abzustreifen. Pierre Bourdieu, in dessen Soziologie der Habitusbegriff als klassenspezifische Haltung wichtig ist, beschreibt ihn als «Leib gewordene Geschichte».

Intervention

Der Begriff der Interventionskunst wurde in den 1980er Jahren geprägt für künstlerische Arbeiten, die dezidiert in ihr soziales Umfeld eingreifen. Dazu überschreiten sie programmatisch den der Kunst zugemessenen Raum und suchen die Auseinandersetzung mit dem «Aussen», mit dem lokalen Kontext, mit politischen und sozialen Bewegungen. Kunst und Aktivismus finden in Praktiken der Intervention zueinander und erfinden dabei mithin populäre Formen des Politischen, wie etwa die bekannten Störungen des nach wie vor männlich dominierten Kunstbetriebs durch die Guerilla Girls oder die theatralen Demonstrationen der Volxtheaterkarawane gegen die europäische Grenz- und Asylpolitik.

Kapitalsorten

Der Soziologe Pierre Bourdieu unterscheidet verschiedene Kapitalsorten, welche die unterschiedlichen Ressourcen bezeichnen, die Akteur_innen in soziale Räume mitbringen: ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital. Bezeichnet ersteres materielles Vermögen (Besitz, Geld), beziehen sich letztere auf immaterielle Ressourcen: das soziale Kapital auf das Vermögen an Verbindungen und Beziehungen (Netzwerk) und das kulturelle Kapitel auf das Vermögen an Kultiviertheit und Bildung (Ausbildung, Titel). Aus dem komplexen Ineinander dieser Kapitalsorten setzt sich das symbolische Kapital (Prestige, Privilegiertheit) zusammen, mit dem eine Person im sozialen Raum rechnen kann.

Kognitiver Kapitalismus

Für die Veränderung der kapitalistischen Ökonomie seit den 1970er Jahren, die sich durch den Rückgang der industriellen Produktion auszeichnet, wurde der Begriff kognitiver Kapitalismus geprägt. Immaterielle Arbeit stellt dabei eine entscheidende Produktivkraft dar, «die so genannte immaterielle Produkte schafft, also etwa Wissen, Information, Kommunikation, Beziehungen oder auch Gefühlsregungen» (Hardt, Negri 2004, S.126). Der sogenannte «dritte Sektor» der Dienstleistungen, darunter Bildung, Kunst und Kultur, gerät verstärkt in den Verwertungszusammenhang. Materielle oder manuelle Arbeit verliert im kognitiven Kapitalismus nicht an Bedeutung, sondern sie wird nach dem Prinzip der internationalen Arbeitsteilung in nicht privilegierte Regionen oder an nicht privilegierte Arbeitnehmer_innen delegiert.

Kulturalisierung

«Unter Kulturalisierung wird die Praxis verstanden, Kultur als wesentliche, zentrale und determinierende Erklärung für (individuelle) Handlungen, Einstellungen, Verhaltensweisen, Konflikte oder Ausdrucksweisen zu verstehen. Häufig wird dabei der Kulturbegriff ethnisiert und Menschen werden beispielsweise auf ihre – angebliche – ‹türkische Kultur› festgeschrieben. Durch Kulturalisierungen werden die Zweiteilung der Gesellschaft in Zuge- hörige (‹Wir›) und Nicht-Zugehörige (‹Die Anderen›) verstärkt und Stereotypen und Zuschreibungen reproduziert» (Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit Düsseldorf  Glossar.

Kulturalisierung, die Kultur zum «zentralen Signifikanten» (Grimm, Ronneberger) der Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse macht, tendiert außerdem dazu, soziale Fragen zu kulturellen zu erklären und soziale Ungleichheit als kulturellen Unterschied zu verfestigen.

Laienkultur

Mit dem etwas despektierlichen Begriff Laienkultur (alternativ wird auch Breitenkultur verwendet) wird eine vielfältige kulturelle Praxis bezeichnet, die sich gerne auch durch Abgrenzung etwa von Hochkultur oder Kulturbetrieb auszeichnet. Chorsingen, Laientheater oder Volksmusik sind klassische Formen. Laienkultur ist in zivilgesellschaftlichen Strukturen verankert, oft nicht institutionalisiert, selbst- oder aber auch öffentlich finanziert (aus den regionalen und kommunalen, seltener den Kulturbudgets). Wesentliche Träger der Breitenkultur sind oft ehrenamtliche Vereine und Initiativen, aber auch Volkshochschulen, Bibliotheken, soziokulturelle Zentren oder Kunst- und Musikschulen.

«Liebe zur Kunst»

«Liebe zur Kunst» ist der ironische Titel einer 1966 erschienenen Studie zu «Europäischen Kunstmuseen und ihren Besuchern» von Pierre Bourdieu und Alain Dardel, die «nicht nur auf die Dekonstruktion der Vorstellung von einer in der Natur des Menschen verankerten ‹Liebe zur Kunst› abzielt, sondern auch auf Enthüllung der wahren, aber verschleierten gesellschaftlichen Funktion von Kunst, soziale Unterschiede zu stabilisieren und zu legitimieren» (Aigner 2008).

Die Studie basiert auf einer gross angelegten sozialwissenschaftlichen Untersuchung verschiedener europäischer Museen, die unter anderem zum Ergebnis kam, dass man «46 Jahre warten müsste, damit sich die mathematische Wahrscheinlichkeit erfüllt [jemanden mit Hauptschulabschluss] ein Museum betreten zu sehen.» Das 2006 erstmals ins Deutsche übersetzte Buch entlarvt die Liebe zur Kunst als durch Erziehung erzeugtes «kulturelles Bedürfnis» und als bürgerliche Ideologie, die sich einer Codierung bedient, die nur entschlüsseln soll, wer über die richtigen Mittel oder das kulturelle Kapital (siehe Glossar: Kapitalsorten) verfügt.

Mehrheitsgesellschaft

Mehrheitsgesellschaft bezeichnet – entgegen der wörtlichen Bedeutung – nicht unbedingt eine quantitativ überlegene, sondern vielmehr sozial dominante und privilegierte Gruppe, die die gesellschaftliche Norm (etwa weiss, westlich, heterosexuell, säkularisiert, etc.) verkörpert, von der aus bestimmt wird, wer als Minderheit gilt. Mehrheit und Minderheit beschreiben also kein Zahlen-, sondern ein Machtverhältnis. Um diesen Aspekt der Macht hervorzuheben, wurde alternativ der Begriff Dominanzkultur für Mehrheitsgesellschaft vorgeschlagen.

Migrationsgesellschaft

«Konsequenzen der Ein- und Auswanderung, der Pendel- und Transmigration sind konstitutiv für die hiesige gesellschaftliche Realität. […] Migration betrifft hierbei in einem so entscheidenden Masse gesellschaftliche Wirklichkeit, dass der Ausdruck Migrationsgesellschaft angemessen ist. Die Rede ist hier von der ‹Migrationsgesellschaft› und beispielsweise nicht von der Einwanderungsgesellschaft, weil der Begriff Migration weiter als der der Einwanderung ist und dadurch einem breiteren Spektrum an Wanderungsphänomenen gerecht wird.» (Broden, Mecheril 2007, S.7)

Musische Bildung

  Begriff und Konzept wurden in der Reformpädagogik Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt. Aus kulturkritischer Perspektive auf die technokratische und rationalistische Moderne und eine instrumentelle Bildung wurde eine ganzheitlich gedachte Erziehung von Körper und Geist anvisiert, die Musik, Kunst, Sprache sowie Sport und Bewegung umfasste und sich sukzessive auch in den Lehrplänen der Schulen durchsetzte. Gerade in der Nachkriegszeit der 1950er Jahre fand musische Bildung als versöhnliches und vermeintlich apolitisches Konzept grosse Resonanz. In kritischen pädagogischen Diskursen wurde musische Bildung dann als tendenziell kulturkonservatives Konzept kritisiert und ist als Begriff desavouiert, findet aber nach wie vor Resonanz in aktuellen Positionen zur kulturellen Bildung.

Naturalisieren

Von Naturalisieren ist zu sprechen, wenn sozial hergestellte Verhältnisse oder Ordnungen als natürliche ausgegeben werden. Damit gelten sie als gegeben und nicht veränderbar, da Natur – im Gegensatz zu Kultur oder Geschichte – so gedacht wird. Dass «Natur und Geschichte ständig miteinander verwechselt werden», wie das Roland Barthes in «Mythen des Alltags» formuliert hat (Barthes 2003, S.6), wurde als Ideologie entlarvt, die die Veränderung von gesellschaftlichen Verhältnissen verhindern möchte. Antirassistische, feministische oder postkoloniale Positionen sind deshalb beständig mit der Kritik von Naturalisierungen beschäftigt.

Paternalismus

Paternalismus bezeichnet eine sehr zwiespältige Strategie der Unterstützung, Zuwendung oder Einmischung «von oben», aus einer Position der Macht und Überlegenheit heraus für als «bedürftig» verstandene Subjekte, deren Autonomie zu «ihren eigenen Wohl» angefochten wird. Klassische Konfigurationen des Paternalismus, der es immer «gut meint», finden sich im Verhältnis von Eltern und Kindern, Lehrenden und Lernenden, Wohlhabenden und Armen. Die paternalistische Geste, oft subtil hinter Formen und Rhetoriken der Ermächtigung verborgen, führt zu einer Verfestigung von Machtverhältnissen. Differenzierte Kritik am Paternalismus vergisst dabei nicht das Moment von Schutz und Zuwendung, das eine liberale Kritik im paternalistischen «Wohlfahrtsstaat» abgeschafft wissen möchte.

People of Colour

People of Colour (auch Person of Colour) ist eine – im englischsprachigen Original verwendete – Selbstbezeichnung unterschiedlich minorisierter, nicht-weisser Menschen. Dahinter steht die Strategie, eine politische und strategische Verbundenheit herzustellen, die Rassismus angreift, wenn verschiedene Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. «Die Bedeutung einer Bündnispolitik verschiedener Communities of Color zeigt sich auch darin, dass wir uns vor dem Hintergrund einer generell weiss und mehrheitsdeutsch dominierten Debatte über Rassismus, Migration und Integration die uns verweigerte gesellschaftliche Definitionsmacht wieder aneignen müssen.» (Dean 2011, S.607)

Performativität

Seit den späten 1980er Jahren ist Performativität zu einem Schlüsselkonzept geworden, das in verschiedenen Disziplinen wie Sprach-, Sozial- oder Kulturwissenschaft von Bedeutung ist. Zentral für Theorien der Performativität ist, dass sozio-symbolische Ordnungen (wie etwa die Ordnung der Geschlechter oder sozialer Räume) nicht gegeben sind, sondern dargestellt und hergestellt werden. Die sprachwissenschaftlichen Theorien zum Sprechakt und zur Realisierung der Sprache durch ihre Sprecher_innen, also durch das Ausführen/Aufführen (engl. to perform) sind Ausgangspunkt für das Konzept der Performativität. Herausfordernd ist, dass das Denken über Performativität hinter dem Dar- und Hergestellten nicht das «Echte» oder «Natürliche» sieht. Darin liegt gewissermassen die Brisanz der Performativität, die etwa in Judith Butlers Gender-Theorie deutlich wird.

Postdramatisches Theater

Das postdramatische Theater hat sich vom Drama emanzipiert, also davon, eine dramatische Vorlage, einen literarischen Text, ein «Stück» zu inszenieren. Stattdessen stehen die Aufführung, das Theatralische selbst im Zentrum, die sich im Verhältnis von Raum, Schauspiel und Publikum realisieren. Die Aufführung stellt nicht den Text, sondern das Theater und seinen Apparat selbst ins Zentrum. Der von dem Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann geprägte Begriff erlaubt verschiedene Auslegungen und Aneignungen, so dass durchaus auch auf Text bezogenes Theater (wenn auch nicht auf den klassisch strukturierten Dramentext) als postdramatisch definiert werden kann.

Prekär

Prekär arbeiten heisst, ungeregelt und mit wenig (oder ganz ohne) soziale Absicherung einer Beschäftigung nachzugehen, also nicht in angestellten, sondern freien Arbeitsverhältnissen, die sich durch Unsicherheit und oft Unterbezahlung auszeichnen, aber auch, das ist nicht zu vergessen, durch Freiheit oder Selbstbestimmtheit. In bestimmten Branchen (Kunst, Medien, Reinigung, Pflege) ist prekäres Arbeiten der Normalfall.

Prekarisierung

Mit Prekarisierung wird das Unsicher-Werden von Arbeits- und Lebensverhältnissen bezeichnet. Sie ist eine Auswirkung des neoliberalen Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft und des kognitiven Kapitalismus (siehe dort). Erwerbsarbeit wird zusehends dereguliert, dauerhafte Anstellung durch kurzfristige Projektarbeit und Zeitverträge ersetzt, mit massiven individuellen und sozialen Folgen, vor allem für nicht privilegierte (z.B. Arbeitsmigrant_innen auf dem Bau oder in der Pflege), aber auch privilegierte Arbeitnehmer_innen (z. B. Kulturarbeiter_innen oder Wissenschaftler_innen). Im prekären Arbeiten stecken auch Momente der Selbstbestimmung und -realisierung, die einerseits (Selbst-)Ausbeutung aufrechterhalten, andererseits aber widerständiges Potential haben, wie etwa Isabell Lorey in ihrem Buch «Die Regierung der Prekären» (Lorey 2012) analysiert.

Relative Autonomie

Dem Feld (siehe dort) der Kunst schrieb der Soziologe Pierrre Bourdieu eine relative Autonomie gegenüber den Feldern der Ökonomie und der Politik zu. Deren Logik kehrt das kulturelle Feld nachgerade um: Je geringer der ökonomische Gewinn, umso grösser ist das symbolische Kapital. Auch in der ästhetischen Theorie ist die Autonomie der Kunst eine entscheidende Annahme, von der aus ihr kritisches Potential der Gesellschaft und den Verhältnissen gegenüber zu denken ist. Angesichts von Vereinnahmung und Verwertung von Kunst wird die relative Autonomie der Kunst von verschiedenen politischen und theoretischen Standpunkten aus sehr unterschiedlich verstanden, als gegeben, verloren oder wieder zu gewinnen beschrieben.

Repräsentation

Bei Repräsentation geht es um Darstellung und Vertretung, wobei beide Bedeutungen des Begriffs untrennbar miteinander verbunden sind. «Repräsentation meint das Hervorbringen von Bedeutung mittels einer Sprache, wobei Sprache als ein System von Zeichen verstanden wird, deren Gebrauch durch Codes geregelt wird. Der Vorgang der Repräsentation ist eine soziale Praxis, die – durch den Gebrauch des Mediums der Sprache (allgemein Zeichensystem) – wesentlich ist für das Hervorbringen und Zirkulieren von Bedeutung» ( Medienkulturwiki)

Jede Repräsentation versucht, die verschiedenen Bedeutungen von Zeichen, Bildern etc. zu fixieren und eine bestimmte Bedeutung zu privilegieren. Daraus ergibt sich ein «Kampf um Repräsentationsverhältnisse» (Stuart Hall), der sich um entscheidende Fragen dreht wie: Was wird gezeigt und was gerade nicht? Wer stellt wen auf welche Weise dar und wer darf (sich oder andere) nicht darstellen?

Repräsentationskritische Perspektive

Repräsentationskritisch ist eine Perspektive dann, wenn sie ihren Blick auf die machtvollen Effekte richtet, die eine bestimmte Darstellung bzw. Vorstellung (etwa die Dokumentation von vermittlerischer Arbeit) hat. Durch eine Auseinandersetzung damit, was gezeigt oder gerade nicht gezeigt wird, und wie und von wem, entsteht ein Raum für Kritik, die vor allem auch hervorbringt, wie eine Repräsentation anders aussehen könnte. In diesem Sinn ist eine repräsentationskritische Perspektive eine politische, die sich mit Machtverhältnissen beschäftigt.

Selbstermächtigung

Die Selbstermächtigung (eine Übersetzung für «self-empowerment», ein Konzept aus den US-amerikanischen Emanzipationsbewegungen der Frauen und der Schwarzen) von marginalisierten oder Minderheitsgruppen oder Individuen bedeutet eine Umverteilung von Repräsentations-, Definitions- und Handlungsmacht, primär durch soziale, politische und kulturelle Partizipation. Da Self-Empowerment aktuell auch als neoliberale Management-Strategie hoch im Kurs steht, um in einem wenig emanzipatorischen Sinn Verantwortung an eigentlich entmachtete Einzelne zu delegieren, ist eine kritische Auseinandersetzung mit versteckten Aspekten von Paternalismus (siehe dort) wichtig.

Selbstrepräsentation

Im Wissen um die Macht der Repräsentation (siehe dort), die tendenziell privilegierten Positionen zukommt und auch zugutekommt, kann die Selbstrepräsentation marginalisierter Subjekte als Gegenstrategie gelten: also eine entschiedene «Politik in der ersten Person Plural» ( Kie Ngi Ha).

Selbstrepräsentation gibt unter- und missrepräsentierten Individuen oder Gruppen die Möglichkeit und die Mittel zur Darstellung und Vertretung der eigenen Positionen und bremst die Mehrheit in ihren Ambitionen, für andere zu sprechen.

Soft Skills

Im Gegensatz zum «harten» Fachwissen und -können zählen Soft Skills zu weniger gut fassbaren, aber immer mehr geforderten Kompetenzen in Wirtschaft oder Gesellschaft. Gefragt sind kommunikative oder soziale Fähigkeiten wie Empathie, Teamfähigkeit, Loyalität und dazu persönliche Qualitäten wie Freundlichkeit, Selbstbewusstsein oder Ehrgeiz. Die oft dem Privaten und Weiblichen zugeordneten Soft Skills bekommen in der postindustriellen (Arbeits-)Welt einen neuen Stellenwert, weil sie sich für wichtige Prozesse wie Vernetzung verwerten lassen.

Soho-Effekt

Soho-Effekt ist der mittlerweile in der Urbanistik verbreitete Begriff für einen von Künstler_innen und «Kreativen» in Gang gesetzten Prozess der Gentrifizierung, also die Verdrängung von sozial und ökonomisch unterprivilegierten Anwohner_innen im Prozess der Aufwertung eines Stadtviertels. Namensgebend ist die Transformation des New Yorker Viertels Soho, wohin in den 1980er Jahren Künstler_innen auf der Suche nach billigem Wohnraum zogen und das in der Folge ins Blickfeld der Immobilien- und Stadtentwicklung rückte. Soho gehört heute zu den teuersten Stadtteilen New Yorks. Die Ansiedlung von «Kreativindustrie» ist mittlerweile eine stadtplanerische Strategie geworden.

Soziokulturelle Animation

Soziokulturelle Animation ist eine Disziplin und Praxis der sozialen Arbeit, die auf vielfältige Theorien und Traditionen kritischer Pädagogik, vor allem eine engagierte Freizeitpädagogik in der Kinder- und Jugendarbeit zurückgeht. (Der Begriff selbst wurde in den 1950er Jahren in Frankreich geprägt und in den sozialen Bewegungen der 1970er und 1980er Jahre weiter geschärft.)

Mit einer grundlegend partizipativen Orientierung versucht soziokulturelle Animation, Akteur_innen zu einer Transformation von individuellen Handlungsräumen wie gesellschaftlichen Verhältnissen in ihrem jeweiligen Kontext zu «animieren» oder zu engagieren, also durch das Kulturelle im Sozialen zu intervenieren.

Strategischer Essentialismus

Die postkoloniale Philosophin Gayatri Chakravorty Spivak plädiert für die Taktik des «strategischen Essentialismus», also dafür, sich aus Kalkül mit einer unterdrückten Gruppe zu identifizieren und über wie für sie zu sprechen, sie zu repräsentieren; im Bewusstsein der Fallen, die diese stellvertretende Repräsentation hat. Das heisst als «Roma» oder als «Muslimin» zu sprechen und damit strategisch und politisch eine Identität zu behaupten, im Wissen, dass diese Behauptung fragwürdig ist. Strategischer Essentialismus zeichnet sich dadurch aus, dass die Fallen und Fragwürdigkeiten des Identitären sichtbar gemacht werden.

Symbolischer Mehrwert

Davon ausgehend, dass es neben ökonomischem Kapital auch andere Ressourcen gibt (siehe Glossar: Kapitalsorten), die am Markt zählen, kann Gewinn auch symbolisch erwirtschaftet werden. Wenn z.B. ein Museum sich durch die Einladung eines kritischen Vermittlungsprojekts als besonders avancierte Institution profilieren kann, kann es einen symbolischen Zugewinn verbuchen, der sich mitunter auch ökonomisch rechnen kann (etwa durch mehr öffentliche oder private Förderung für engagierte Museen, etc.).

System

Ein systemischer Begriff von Kunst – der sich von einem ontologischen oder idealistischen unterscheidet – umfasst alles, was im System Kunst auftaucht, was als Kunst gemacht, benannt oder wahrgenommen wird und auch, was um Kunst herum produziert oder rezensiert wird. Über das statische Konzept des Werkes und seiner Autor_innen hinaus gehören somit vielfältige Phänomene und Praktiken zum System Kunst. Dabei ist mitzudenken, dass der Zugang zu diesem System nicht beliebig, sondern über Definitionsgemeinschaften geregelt ist – also über Akteur_innen, die aushandeln, was zu welchem Zeitpunkt als «Kunst» in dem System auftauchen darf und was nicht.

Verletzungsgewalt

Für die Analyse von pädagogischen Verhältnissen verwendet die Theoretikerin Maria do Mar Castro Varela den Begriff der Verletzungsgewalt: «Je privilegierter meine Position ist, desto höher ist meine Verletzungsgewalt. Zuweilen führt dies dazu, dass Menschen sich hilflos fühlen, weil sie das Gefühl haben, es niemandem recht machen zu können, immer nur zurechtgewiesen zu werden.» Sie fordert dagegen individuelle (aber auch institutionelle) Selbstreflexion und -kritik: «Pädagogisches Handeln ist machtgesättigt und riskiert immer auch andere zu verletzen, insoweit scheint es notwendig, Sensitivitäten zu entwickeln, die eigene Wahrnehmung zu schärfen und sich kritisch zu dem System, welches das Selbst mit Privilegien ausgestattet hat, zu stellen.» (Castro Varela 2004)

Visual Literacy

Der Begriff bezeichnet eine Basisbildung oder Kompetenz im Feld des Visuellen (Sigrid Schade, Silke Wenk), die Fähigkeit also zum Lesen von Bildern, die sich entgegen verbreiteter Vorstellungen nicht unvermittelt verstehen lassen. Visual Literacy ermöglicht, die Bilder zu kontextualisieren, die Repräsentationsverhältnisse (siehe Glossar: Repräsentation) oder die Herstellungs- und Verbreitungsprozesse, in die sie eingebettet sind, mitzulesen.

Die Vermittlung von Visual Literacy kann so zu einem verantwortlichen und kritischen Umgang mit Visuellem beitragen. Wie diese Kompetenz definiert ist, sollte Gegenstand laufender Überlegungen und Verhandlungen sein, nachdem es sich nicht um eine objektive Qualität, sondern eine soziale Konstruktion handelt, in der sich Machtverhältnisse widerspiegeln. Eine (selbst-)kritische Kunstvermittlung stellt normative Vorstellungen von visueller Literarität in Frage.

weiss

weiss ist eine von der  Kritischen Weissseinsforschung vorgeschlagene Schreibweise, die auf der Ebene der geschriebenen Sprache die machtvolle Neutralität und Normalität des weiss-Seins bewusstmachen und durchkreuzen möchte. weiss in konsequenter Kursiv- und Kleinschreibung ist eine Bezeichnung für eine privilegierte Positionierung innerhalb einer Gesellschaft, «in welcher der Zugang zu Ressourcen unter anderem aufgrund von Hautpigmentierung und Physiognomie erschwert bzw. erleichtert wird – also innerhalb einer rassialisierten Ordnung.» (Dean 2011). Schwarz, gross und nicht kursiv geschrieben, bezeichnet eine marginalisierte und eben «rassialisierte» Position. Die Markierung möchte in beiden Fällen auf die Konstruiertheit dieser machtvollen Kategorie hinweisen und den selbstverständlichen Textfluss bewusst stören.

Wissensarbeiter_innen

In einer postindustriellen Gesellschaft, deren Ökonomie auf Information, Kommunikation, Technologie baut, ist Wissen die entscheidende Produktivkraft. Wissensarbeiter_innen, die vorwiegend im sogenannten tertiären Sektor der Dienstleistungen beschäftigt sind, sind aufgefordert, innovativ und informiert zu bleiben, flexibel auf die Anforderungen des globalen Marktes zu reagieren und ihr immer aktuell zu haltendes und auszuweitendes Wissen als Ressource einzubringen. Kreativität ist eine Kernkompetenz für produktive Wissensarbeiter_innen.