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2.4 Kulturvermittlung zur Weiterbildung und Aktualisierung der Institution

In jüngerer Zeit wird eine erweiterte Perspektive für Kulturvermittlung diskutiert: Es geht nicht länger (nur) darum, kulturelle Produktionen verschiedenen Öffentlichkeiten nahezubringen, sondern diese Öffentlichkeiten werden selbst als Träger_innen von Wissen verstanden, das für die Weiterentwicklung sowohl der Institutionen als auch der Kulturproduktion notwendig ist. Kulturvermittlung wird so zu einem Rahmen für Austauschbeziehungen. Die Rollen von Lehrenden und Lernenden kommen dabei in Bewegung.

Das im vorangegangenen Text vorgeschlagene Vermittlungsprojekt in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung beinhaltet beispielsweise die Möglichkeit, dass die Kultureinrichtung dabei zu einer Analyse ihrer eigenen lokalen sozioökonomischen Auswirkungen angeregt wird. Dieses Gewahrwerden könnte wiederum Einfluss sowohl auf zukünftige Programmentscheidungen wie auch auf die Institutionspolitik haben – wenn sich die Einrichtung beispielsweise dazu entscheidet, Arbeitsstellen mit Anwohner_innen zu besetzen und spezielle Ausbildungsprogramme für sie anzubieten, sich aktiv in die Debatten um die Veränderungen des Standorts einzubringen oder Künstler_innen einzuladen, die sich in ihrer Arbeit mit dem Phänomen der  Gentrifizierung beschäftigen. Oder wenn in einem anderen Fall ein Museum mit  Menschen mit eingeschränktem Seh- oder Bewegungsvermögen in der Vermittlung arbeitet und das dadurch hinzugewonnene Wissen dazu nutzt, die Ausstellung barrierefreier zu gestalten und die Exponate auch im Hinblick auf die Bedürfnisse dieser Nutzer_innengruppen auszuwählen.

Hier zeichnet sich ein Wandel im Verständnis von Kultureinrichtungen ab, hin zur  Performativität. Sie werden als Orte verstanden, die nicht statisch sind, sondern durch das Zusammenwirken der Handlungen und Perspektiven all derer, die sie (nicht) nutzen und bespielen, stets neu hergestellt werden: vom Hauspersonal über die Leitungsfunktionen, die verschiedenen Besucher_innen und jene, die nicht kommen, bis zu den Medien, die über sie berichten, und den Nachbarn, die an ihnen vorbeigehen, ohne sie noch zu sehen. Dieses Verständnis wurde in den letzten Jahren nicht zuletzt auch durch neue Weisen der Publikumsbeteiligung im Rahmen der Social Media gefördert.