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1.3 Englische Begrifflichkeiten

Im englischen Sprachraum gibt es keinen Sammelbegriff, der dem der  Kulturvermittlung oder der  Médiation culturelle entsprechen würde. «Mediation» ist mit dem juristischen und sozialen Bereich der Konfliktlösung, «Cultural Mediation» im Speziellen mit Übersetzungs- und Verhandlungstätigkeiten im Kontext von Migration verbunden. Allerdings taucht im internationalen Englisch («Global English» oder  Globish die Bezeichnung «Art Mediation» als wörtliche Übersetzung von «Kunstvermittlung» auf – so bezeichnet beispielsweise die Manifesta, eine europäische Biennale für Gegenwartskunst, ihre Vermittlungsprogramme als «Art Mediation» und die Personen, die darin arbeiten als  Mediators.

In Kunstinstitutionen aller Sparten herrscht in englischsprachigen Ländern «Education» als Bezeichnung der Vermittlungsprogramme vor: Opera Education, Gallery Education, Museum Education, Dance Education, Concert Education sind gängige Begriffe. «Education» wird in den letzten Jahren zuweilen durch den Begriff «Learning» ergänzt oder ersetzt. Letzterer wird von manchen Institutionen bevorzugt, weil sie ihn weniger mit der Idee der Erziehung als vielmehr mit dem Prozess der Wissensproduktion und -aneignung verbunden sehen. Die Begriffe «Education» und «Learning» verweisen dabei beide stärker als «Vermittlung» und «Médiation» auf die Tatsache, dass pädagogische und didaktische Fragen für das Arbeitsfeld zentral sind. Überschneidungen dieser Begriffe zum Marketing, zur Kritik oder Präsentation sind weniger naheliegend. Bei Massnahmen, die vor allem auf die Vergrösserung und Erweiterung von Publikum zielen, findet stattdessen seit Mitte der 1990er Jahre der Begriff «Audience Development» Anwendung. Sein Aufkommen ist mit einer programmatischen Debatte über eine stärkere Besucher_innenorientierung in Kulturinstitutionen verbunden. Angebote, in denen mit Schulen, sozialen Einrichtungen oder anderen Organisationen kooperiert wird, werden häufig als «Outreach» bezeichnet.

Ein junges Phänomen ist die Verwendung von «Participation» oder «Participation Manager» als Arbeitsbereich und  Stellenprofil in Kulturinstitutionen. Sie ist symptomatisch für die Tendenz, das Publikum aktiv in die künstlerischen Produktionen einzubeziehen.

«Community Art» – analog dazu existieren auch «Community Dance», «Community Theatre» oder «Community Music» – werden seit den 1960er Jahren Projekte genannt, in denen entweder Künstler_innen mit den Bewohner_innen eines Stadtteils oder mit einer bestimmten Interessensgruppe aus der Bevölkerung arbeiten oder bei denen Amateure selbstorganisiert künstlerisch tätig werden. Anders als die gegenwärtig von Kulturinstitutionen eingeführte Participation gründet die Geschichte der Community Arts jedoch in einer programmatischen Abgrenzung von der Hochkultur und ihren Institutionen.

Eine zunehmend wichtige Rolle spielen – ebenfalls seit den 1960er Jahren – künstlerische Projekte mit einer starken Vermittlungsdimension. Zunächst vor allem als «Artists-in-Schools» in Erscheinung tretend, entwickelten Künstler_innen in den vergangenen fünf Jahrzehnten unterschiedlichste Mischformen von künstlerischer, pädagogischer und sozial-aktivistischer Praxis, die je nach Ausrichtung und Schwerpunkt als «New Genre Public Art» (Lacy 1994), «Socially Engaged Art» (Heguera 2011), «Relational Art» (Borriaud 2002) oder «Dialogical Art» (Kester 2004 und 2011) bezeichnet werden. Auch wenn sich diese selbst häufig nicht als «Education» verstehen, werden sie doch von Kulturinstitutionen als Teil ihres Vermittlungsprogramms angefragt und ausgewiesen. Sie verändern und erweitern dadurch das Vermittlungsverständnis dieser Institutionen: Die Trennlinie zwischen Vermittlung und Kunst, zwischen «Art» und «Education» wird – teils bewusst, teils beiläufig, als Teil einer Entwicklung – unscharf.